Es war ein warmer Tag im September. Shorny, unsere Australian Shepherd Hündin lag entspannt im Schatten der Bäume, ihr Blick ruhte dabei auf Jana, meiner kleinen Tochter, die unterm Sonnenschirm in einem Bottich planschte. Die Pferde schauten von der Koppel schläfrig herüber. Shorny war zu diesem Zeitpunkt zwölf Monate alt und somit zwei Monate älter als Jana.
Mit Shorny habe ich mir den Traum von einem eigenen Hund erfüllt und sie bereicherte vom ersten Tag ihres Einzugs an unseren Alltag. Sie liebte meine kleine Tochter heiß und innig.
Der Bottich, indem Jana saß, war nur mit wenig Wasser gefüllt. Beim Sitzen reichte es ihr gerade bis zum Bauchnabel. Jana zeigte immer mehr Ermüdungserscheinungen und ich freute mich, dass es gleich so weit sein würde und ich sie auf die Decke zum Schlafen hinlegen konnte. Das weiße Hemdchen war total durchnässt und klebte wie eine zweite Haut an ihr. Ein schrilles Klingen zerriss die angenehme Stille und mein Kind war hellwach und ließ ihr Püppchen im Wasser tanzen. Shorny hob brummelnd den Kopf und schnappte nach einer Fliege, die sie schon eine Weile nervte.
Es gab noch kein Handy und keine schnurlosen Haustelefone. Kaum hörte das Klingeln auf, setzte es erneut wieder ein. So hob ich meine Tochter aus ihrem Bad, trocknete sie ab, setzte sie auf die Decke und ermahnte sie sitzen zu bleiben, weil in diesem Moment die nächste Klingelattacke losbrach. Mehrere Granitstufen auf einmal nehmend hastete ich in den ersten Stock zum Telefon.
„Hallo, wo brennts denn? Moment, mein Hund ist so laut, ich verstehe Sie nicht.“ Shornys ungewöhnliches Bellen drang mir durch Mark und Bein.
„Sei doch still, Shorny.“ Doch Shorny wurde immer energischer, bis eine Totenstille hereinbrach. Ich stürzte zum offenen Fenster, das zum Innenhof hinausging, wo sich meine Tochter mit dem Hund befand. Mir gefror das Blut in den Adern. Ein Beinchen hing aus dem Bottich und mit aller Kraft versuchte die Hündin den kleinen Körper herauszuziehen. Das Hemdchen riss dabei immer wieder ein und das Kind rutschte dabei rettungslos in den Bottich zurück.
Auf dem Weg zu meiner Tochter stürzte ich vor Panik hart auf der Treppe und lag einige Sekunden lang regungslos da und konnte nur wie durch einen Schleier die Szenerie vor mir beobachten. Ein kleiner Körper lag auf dem Boden und die Hündin balancierte auf dem kleinen Brustkorb herum und beleckte hektisch das starre Kindergesicht. Das konnte nie und nimmer meine Tochter sein! Diese Stille, sie gab mir eine Antwort, die ich nicht hören wollte. Vor lauter Angst schaffte ich es nicht, mich aufzurichten. Shorny stieß immer wieder schrille Laute aus, bis sie mich schließlich in die Hand zwickte. Das holte mich aus meiner Starre und ich konnte endlich zu dem Kind gehen. Ich hob meine Tochter und drückte sie fest an mich. Shorny zwickte mich heftiger in den Oberarm, wie um mich anzutreiben. Dieser Schmerz half mir, mich zu fassen, und so legte ich Jana auf die Decke und versuchte das Wasser aus ihren Lungen herauszubekommen. Mein Kind zeigte keinerlei Reaktion.
Erneut nahm ich meine Kleine in den Arm und klopfte auf ihren Rücken. Atme doch, bitte, atme. Da war es endlich: das unvergesslich schöne Geräusch. Jana atmete und hustete leise.
Shornys Blick traf den meinen und wir schauten uns lange und tief in die Augen und damit in unsere Herzen. Es war ein warmes Gefühl der Verbundenheit, das ich nie mehr vergessen werde. Von diesem Tag an gab es ein vorher und ein nachher.
Silke Löffler © RoC