64 Schwarze Tage

Mein schlimmstes Erlebnis

Unfälle oder ungeplante Würfe können immer und überall da vorkommen, wo Hunde artgerecht gehalten werden. So schnell ist etwas passiert was nie geplant war, es reicht ein nicht eingerastetes Türschloss oder ein unachtsamer Mitbewohner.

Auch kann so mancher Rüde, der die Standhitze von drei Hündinnen in Folge ertragen muss, Flügel bekommen, so dass ein hoher Zaun kein wirkliches Hindernis mehr darstellt…

 

Diese Würfe werden von uns nicht verleugnet oder verschweigen.

2004 ist so ein niemals geplanter Wurf zwischen meinem Merle-Rüden Richy und der Merle-Hündin Tiny entstanden. Richy hat Tiny am letzten Tag der Hitze erwischt und gedeckt.

 

Tagelang hat sie ihn bei jeder Gelegenheit belagert und signalisiert das sie doch wirklich gerne… dann hat er wahrhaftig Flügel bekommen. Raus aus dem ersten Auslauf und über den 1,80 m hohen Zaun in den anderen Auslauf hinein.

Niemals hätte ich das für möglich gehalten – ich war im Stall und nur 10 m von mir entfernt hingen die beiden schon zusammen.

 

Das war eine Merle & Merle Verbindung die in Deutschland auf Grund von großen Risiken nicht erlaubt ist. Es können weiße Babys (reinerbige Merles) geboren werden die blind und/oder taub sind.

Ich war wie gelähmt, nachdem ich mich beruhigt hatte, telefonierte ich sofort mit dem Tierarzt und schrieb Richy’s Züchterin und Co-Owner an.

 

Nach langen Gesprächen mit dem Arzt war klar, es gab nur 2 Möglichkeiten:

Entweder Leib und Leben (Pyometra =Gebärmutterentzündung) der Mutter durch aggressives Abspritzen der Frucht zu riskieren, oder 63 Tage mit der Angst vor dieser Geburt und derer eventuellen Folgen leben zu müssen.

Zusammen mit meiner Familie, meinem Tierarzt und dem Amtsveterinär des Landkreises Kronach, haben wir uns für das Austragen der Babys entschieden.

 

Was dann folgte ist für mich nicht mit Worten zu beschreiben. Tiny wurde jeden Tag dicker und dicker und nach 63 Tagen wurde der größte Wurf (12 Babys) geboren, der jemals bei uns das Licht der Welt erblickt hat.

Schon die Zeit, in der Tiny ihre Wehen hatte, war kaum zu ertragen. Gedanken überschlugen sich und Heulkrämpfe trieben mich in den Wahnsinn. Ich hatte solche Angst und Ehrfurcht vor diesem Wurf!

Es war sehr schwer, einigermaßen die Fassung zu bewahren, um Tiny nicht zu beunruhigen.

Nun begann sie zu pressen. Als erstes kamen zwei tote weiße Kinder, ich war richtig erleichtert, dass sie nicht atmen wollten. Dann wurde ein normales und dann im Laufe der Geburt drei weitere schneeweiße Kinder geboren. Ich half den weißen Kindern wie allen anderen auf die Welt, begrüßte sie und wusste nicht wohin mit all meinen Gefühlen. Ich war völlig am Ende und dachte die ganze Zeit nur: „lieber Gott, bitte lass das endlich aufhören“.

Aber diese schreckliche Nacht wollte nicht enden, ich hatte Angst vor jeder Wehe und der Tatsache, es könnte wieder ein weißes Kind zur Welt kommen…

 

Als nach Stunden der Ungewissheit, alle 10 lebenden Babys geboren waren, war ich nicht mehr Imstande, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Nach weiteren quälenden Stunden überwand ich mich alle Babys genau anzusehen.

Vielleicht könnte ich ja doch noch ein klein wenig Farbe unter dem ganzen Weiß finden…

Dann standen wir alle vor der Entscheidung, was soll mit den weißen Kindern passieren. Sie sahen so normal aus, sie tranken, waren fit, voller Lebenswillen und einfach nur süß.

Auch da gab es nur 2 Möglichkeiten. Ich telefonierte mit vielen Leuten die so etwas auch schon erlebt haben. Einige rieten mir die weißen Kinder in die Gefriertruhe zu legen, sie würden einschlafen und nichts merken. Andere wiederum rieten mir, ich soll sie doch erst einmal 6 Wochen alt werden lassen und dann entscheiden.

All das war für meinen Geschmack absolut keine Lösung und mehr als grausam für Alle!

Hier ging es nicht darum, etwas zu vertuschen oder zu verschleiern, oder gar schön zu reden. Hier ging es um viel viel mehr.

 

Was, wenn sich herausstellen würde, dass die Babies zusätzlich noch andere unvorhersehbare Probleme haben? Wem kann man drei blinde und/oder taube, kranke Hunde anvertrauen? Selbst wenn die Leute momentan noch motiviert sind, werden sie es durchhalten? Kann der behinderte Hund dort ein Leben lang bleiben und wäre er glücklich und beschwerdefrei? Oder würden diese Hunde wieder und wieder vermittelt und ein Lebenslang aufgrund ihrer Behinderung herumgestoßen und in Unfälle jeglicher Art verwickelt?

Sei es ein Zwicken oder Beißen von Kindern, weil sie sie sich erschrecken,und die Kinder nicht rechtzeitig hören oder sehen können, oder sei es ein Unfall mit Fahrzeugen? Ja, hier ging es um viel viel mehr, nämlich um die Verantwortung von drei Hundeleben und deren unvorhersehbare Folgen.

Fragen über Fragen und niemand kann eine Antwort geben, die beruhigt.

Die 3 Kleinen sind im Alter von 1 Tag in meiner eigenen Hand mit Hilfe meines Tierarztes eingeschlafen.

Die Spritze hat sofort gewirkt aber es ist unglaublich traurig, wenn man fühlt, wie das Leben das man gerufen hat, aus dem kleinen unschuldigen Körpern entweicht. Dieses Erlebnis hat mich tief berührt und geprägt. Niemand kann nachvollziehen was dies für ein trauriges, tiefgreifendes Erlebnis war!

Wir glauben, Erfahrungen zu machen, aber die Erfahrungen machen uns.

 

7 Kinder haben die ersten 4 Wochen überlebt, eines der Babys ist mit 4 Wochen gestorben. Die 6 anderen Kinder sind gesund und leben bei lieben Familien.

 

3 Jahre später ist uns, trotz höherem Zaun und allen nur vorstellbaren Sicherheitsmaßnahmen, dieses Unglück erneut passiert. Ich hätte es NICHT noch einmal verkraftet!! Mit flauem Magen und der Hoffnung, „dass dieser Kelch an uns vorüberzieht“ haben wir uns dieses Mal für die zweite Möglichkeit entscheiden.

Die hormonellen Abtreibung, nach den neusten Erkenntnissen der Medizin, sprich die Nidation (Einnistung der befruchteten Eizelle) mit Hormoninjektion(en) zu verhindern.

Schon wenige Stunden später trank Tiny auffällig viel und war sehr still. Der TA beruhigte mich und gab mir zu verstehen, dass das nach der Spritze völlig normal wäre. Nein es war nicht normal und am nächsten Morgen stand ich mit meinem Hund im Arm in der Klinik. Bitte schauen sie nach, dass ist nicht OK so….

 

Sie bekam schnell Temperatur und man konnte schon jetzt eine Entzündung der Gebärmutter feststellen. Tiny erkrankte an den Folgen des Eingriffes an einer schweren Pyometra, die rasend schnell von statten ging. Sie wurde sofort operiert und hatte nach einigen Wochen alles gut überstanden.

 

Was für ein taffes Mädchen ...

 

Wie zu erwarten, konnte Tiny als kastrierte Hündin ihre Führungsposition in ihrem gewachsenen Rudel nicht aufrecht erhalten und es kam zu heftigen Unruhen. Das Rudel hatte sich nach der wochenlangen Abwesenheit ihrer Königin neu orientiert und eine neue Rangordnung gebildet. Tiny’s starker Charakter und ungebrochener Wille durften nicht länger Schaden nehmen!

 

Unssere Leithündin, meine Basis ...

Ein schwerer Schritt für uns alle ... Tiny lebte bis zu ihrem Tod glücklich und zufrieden mit ihrem Sohn Nikan bei lieben Freunden in der Schweiz, in der Nähe von Zürich. Sie ist dort, wie es ihr gebührt der Hahn im Korb und hat ihren Sohn fest im Griff.

Danke liebe Patricia und lieber Beat, dass ihr meinem Mädchen und ihrem Buben so ein wundervolles Zuhause schenkt!!!

 

 

 

“Erfahrungen sind der einzige wahre Reichtum, weil man ihn nicht verlieren, nur verschenken kann – und weil man ihn auch dann behält, wenn man ihn verschenkt.”


(c) Silke Löffler
Australian Shepherd & Mini Aussie Zucht
Rosebud of Crana Kennel